wolfgang pilz
farbadern
kunststoff
Die Anstrengung der Sinne für das reine Sein

Die Projektion pflanzlichen Lebens in technische Formen folgt
dem Ritual des Banns. Die fremd gewordenen und in ihrer starren
Gewalt bedrohlichen Dinge werden so lange mit Blicken fixiert,
bis ihre Starre sich in Vertrautes auflöst. Das ist die eine
Version; die andere – desselben Vorgangs: der von der Technik
Verfolgte hält inne, ergibt sich und wechselt die Seite.
Im Mimikry des demütigen Blickes zurück vermeint er die neuen
Gewalten auch in den alten vegetabilen Formen immer schon am
werke zu sehen, als archaische ornamentale Urkräfte. Die
Gefühle, von denen diese Blicke begleitet werden, schwanken;
je nachdem ob die Hybris des bannenden Blickes oder die
Demut der Anverwandlung überwiegen. Aber entscheidend ist
etwas anderes. Es kommt immer auf den Blick des Betrachters an,
nicht auf das Betrachtete. Es liegt im Vermögen seiner
angemessenen Optik, wie bedrückend ihm die Dinge werden.
Mit dieser idealistischen Prämisse stemmt sich das
„Neue Sehen“ gegen die Erfahrung subjektiver Ohnmacht
angesichts der technischen und in unserem Jahrhundert
immer krasser auch der ideologischen Übermächte.
An den Dingen läßt sich nichts ändern, so ist zu befürchten;
also muß Rettung von der Veränderung der Wahrnehmung kommen.
Vor allem aber Trost: „Es müßte nur unser Auge ein
Spur schauender, unser Ohr empfangender sein, der Geschmack
einer Frucht müßte uns vollständiger eingehen, wir müßten mehr
Geruch aushalten, und im Berühren und Angerührtsein
geistesgegenwärtiger und weniger vergeßlich sein-: um sofort
aus unseren nächsten Erfahrungen Tröstungen aufzunehmen, die
überzeugender, überwiegender, wahrer wären als alles Leid,
das uns je erschüttern kann.“
So schrieb Rilke an die Fürstin von Thurn und Taxis.